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Tarifautonomie und betriebliche Mitbestimmung sollen gestärkt werden - kommt die online-Wahl?
Tarifautonomie und betriebliche Mitbestimmung sind zwei zentrale Säulen der Gestaltung der Arbeitsbedingungen unter Einbeziehung der Beschäftigten. Bekanntlich wird schon seit einiger Zeit ein Tariftreuegesetz diskutiert, zu dem das BMAS jetzt einen neuen Entwurf vorgelegt hat. Die wichtigsten Punkte des aktuellen Entwurfs sind:
- Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, sollen ihren Beschäftigten künftig tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen.
- Bei den nächsten turnusmäßigen Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 soll in Betrieben, die bereits über einen Betriebsrat verfügen, die zusätzliche Möglichkeit der online-Abstimmung (neben Urnenwahl und Briefwahl) ausprobiert werden können. Wenn der Betriebsrat im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber diese Möglichkeit für den Wahlvorstand schaffen möchte, muss er diesen spätestens 26 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit mit mindestens fünf Wahlberechtigten bestellen.
- In § 119 BetrVG wird der Absatz 2 gestrichen, so dass Straftaten gegen Betriebsverfassungsorgane und ihre Mitglieder nicht mehr nur auf Antrag, sondern als Offizialdelikt verfolgt werden.
Aber es gibt auch eine große Schwachstelle: Während im bisherigen Referentenentwurf Regelungen zu einem digitalen Zugangsrecht der Gewerkschaften (siehe dazu auf der Seite des dbb) und zur Verhinderung einer Tarifflucht bei Betriebsspaltungen enthalten waren, sind diese im neuen Entwurf verschwunden.
AGG - die Anknüpfung an bestimmte Merkmale ist verpönt
Nach der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie und dem AGG sollen bestimmte Merkmale (Alter, Geschlecht, Schwerbehinderung, Herkunft, sexuelle Orientierung) grundsätzlich keine Rolle spielen, wenn der Gesetzgeber ein Gesetz erlässt, die Tarifvertragsparteien Tarifverträge abschließen, Arbeitgeber und Personalrat eine Dienst- oder Betriebsvereinbarung abschließen oder der Arbeitgeber etwas regelt.
An die "verpönten" Merkmale darf nur ausnahmsweise angeknüpft werden, wenn die Anknüpfung einem legitimen Ziel dient, zur Erreichung des Ziels das mildeste Mittel eingesetzt wird und die Zweck-Mittel-Relation angemessen ist.
Liegt nach diesen Maßstäben eine Diskriminierung vor, kann die oder der Betroffene Unterlassung verlangen. Da die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie die Mitgliedsstaaten verpflichtet, durch ihre Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung Diskriminierungen entgegenzuwirken, wird bei ungleich gewährten Leistungen "nach oben" angeglichen. Sonst würden Diskriminierende kein Risiko tragen.
In Betracht kommt aber auch ein Schadensersatzanspruch.
Und hier kommt ein Clou des AGG besonders zum Tragen: Es reicht, wenn Indizien für eine Diskriminierung vorliegen. Dann dreht sich die Beweislast um und der vermeintlich Diskriminierende (in unserem Kontext also der Arbeitgeber) muss beweisen, dass er nicht diskriminiert hat. Besonders häufig werden Konstellationen im Stellenbesetzungsverfahren diskutiert, z.B.
- wenn die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen nicht berücksichtigt wird und der Arbeitgeber im Vorfeld gegen § 164 Abs.1 SGB IX verstoßen hat oder
- die Bewerbung einer Frau auf eine Führungsposition nicht berücksichtigt wird und Frauen auf dieser Ebene (auch unter Berücksichtigung einer entsprechenden Anzahl von Bewerbungen in der Vergangenheit) unterrepäsentiert sind.
Das Gute am AGG: es führt jedenfalls zu einer höheren Sensibilität!
Schauen Sie zu weiteren Einzelheiten gerne unser Video zum AGG.
Happy Birthday TV-L zum 18.Geburtstag - schon erwachsen?
Am 1.11.2006 vor 18. Jahren ist der TV-L in Kraft getreten. Die Beschäftigten werden zum Geburtstag aber noch Wünsche haben.
Zwar gibt es zum 1.11.2024 eine Entgelterhöhung um 200 € und dann ab dem 1.2.2025 um weitere 5,5 %. Die Mindesterhöhung wird zudem insgesamt 340 € betragen. Die neuen Entgelttabellen finden Sie auf der Seite des dbb.
Das ändert aber nichts daran, dass das Entgeltniveau insgesamt hinter dem TVöD zurückbleibt. Das betrifft die Höhe des Tabellenentgelts (zumal unter Berücksichtigung der im TVöD geringeren Arbeitszeit), die Jahressonderzahlung und das Fehlen eines zusätzlichen Volumens für Zwecke der leistungsorientierten Bezahlung bzw. bei den Kommunen auch alternativer Entgeltanreize (im TVöD VKA werden dafür 2% der Vorjahresvergütung aller Tarifbeschäftigten ausgeschüttet, im TVöD Bund optional 1%).
Nicht so schön ist auch die Stufenzuordnung bei Höhergruppierung, die im TV-L immer noch betragsmäßig erfolgt (statt stufengleich wie im TVöD). Das wird auch durch die erhöhten Garantiebeträge nicht kompensiert.
Bedenkenswert ist auch, dass in Teil I der Entgeltordnung zum TV-L (allgemeine Merkmale für den Verwaltungsdienst) nach wie vor kein Eingruppierungsmerkmal für die EG 7 ausgebracht ist. Beschäftigte, die in einem mindestens 20% der Arbeitszeit ausmachenden Arbeitsvorgang selbständige Leistungen erbringen, verbleiben daher (anders als im TVöD) in der EG 6.
Wenn der Arbeitgeber Sie als qualifizierte Fachkraft halten möchte, könnte er Ihnen immerhin eine Zulage nach § 16 Abs.5 TV-L anbieten. Versuchen Sie es – wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Tarifvertragliche Besserstellung von Gewerkschaftsmitgliedern - ist das zulässig?
Wenn Tarifverträge nicht für allgemeinverbindlich erklärt wurden, finden sie Anwendung, wenn beide Seiten (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) tarifgebunden sind, also als Mitglieder zu den vertragschließenden Parteien (Arbeitgeberverband bzw. Gewerkschaft) gehören. Die Anwendung eines Tarifvertrages kann aber auch einzelvertraglich vereinbart werden. Letzteres findet im öffentlichen Dienst standardmäßig statt („es gilt der TVöD und die ihn ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung“). Nun ist es aus Sicht der Gewerkschaften natürlich misslich, wenn Nichtmitglieder auf diese Weise, ohne Beiträge zu zahlen, von den Regelungen profitieren, die die Gewerkschaft und ihre Mitglieder (ggf. auch im Wege des Arbeitskampfes) durchgesetzt haben.
Hier kommen Differenzierungsklauseln in Spiel, mit deren Hilfe Gewerkschaftsmitglieder begünstigt und ein Anreiz zum Beitritt in die Gewerkschaft geschaffen werden soll. Sie sind zum einen an der Koalitionsfreiheit des Art 9 Abs.3 GG (einschließlich des Rechts, keiner Gewerkschaft beitreten zu müssen) und der Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien zu messen. Die Rechtsprechung hält auf dieser Basis einfache Differenzierungsklauseln für rechtmäßig. Unzulässig wären dagegen Klauseln, die es dem Arbeitgeber verbieten, Nichtgewerkschaftsmitglieder gleich zu behandeln (das gilt auch für sog. „Spannenklauseln“, die einen bestimmten Abstand zwischen Gewerkschaftsmitgliedern und Außenseitern vorschreiben sollen).
Also: es wäre zulässig, im TVöD für Gewerkschaftsmitglieder einen zusätzlichen freien Tag zu vereinbaren. Die oben erwähnte einzelvertragliche Bezugnahme auf den Arbeitsvertrag als solche würde dann wohl noch nicht zu einer Gleichstellung von Nichtgewerkschaftsmitgliedern führen. Man könnte der Arbeitgeberseite aber nicht untersagen, diese auf anderem Wege herbeizuführen.
Ausschlussfrist - irgendwann ist mal gut
Nach § 37 Abs. 1 TVöD / TV-L / MTV müssen die meisten wechselseitigen Ansprüche binnen 6 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, sonst verfallen sie. Die Vorschrift dient der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Zur Geltendmachung reicht eine Email aus, sofern aus ihr der Absender der Erklärung und das Datum der Erklärung klar hervorgehen. Nur einige Ansprüche (z.B. auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte oder auf Reisekostenvergütung) können auch später noch geltend gemacht werden. Für Ansprüche aus AGG gilt dagegen kraft Gesetzes die Zweimonatsfrist des § 15 Abs.4 AGG.
Achtung: zur Wahrung der Ausschlussfrist bei Vergütungsansprüchen reicht es nicht aus, um eine Überprüfung der Eingruppierung zu bitten oder einen Höhergruppierungsantrag zu stellen. Es muss vielmehr konkreter formuliert werden: „hiermit mache ich meinen Vergütungsanspruch aus der Entgeltgruppe 9a, Stufe 4 seit September diesen Jahres geltend.“ Selbstverständlich kann der Anspruch auch durch einen bevollmächtigten Anwalt oder Gewerkschaftsvertreter gestellt werden. Die Geltendmachung durch den Personal- oder Betriebsrat reicht dagegen nicht aus.
Bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer höheren Entgeltgruppe sind im Übrigen zwei Aspekte zu unterscheiden:
• Zu welchem Zeitpunkt hat die dafür zuständige Stelle des Arbeitgebers die höherwertigen Tätigkeiten übertragen (und befindet sich der Arbeitnehmer daher aufgrund der Tarifautomatik in der höheren EG)?
• Wann wurde der Anspruch auf die höhere Vergütung konkret geltend gemacht?
Im Einzelfall kann die Berufung des Schuldners auf die Ausschlussfrist übrigens rechtsmissbräuchlich sein. Mehr zur Ausschlussfrist gibt es in diesem Video.
Das wird mir zu viel!
Was zu Überlastungen führt
Überlastungen können verschiedene Ursachen haben.Zu denken ist etwa an einen Aufgabenzuwachs, neue Anforderungen (etwa im Zuge der Digitalisierung) oder einen Personalmangel. Letzterer kann sich etwa ergeben, wenn der Arbeitgeber Schwierigkeiten hat oder es sich nicht leisten möchte, neues Personal zu rekrutieren. Auch die Abwesenheit von Kolleginnen und Kollegen im Fall von Krankheit, Urlaub, Altersteilzeit oder sabbaticals kann zu personellen Engpässen führen. Selbstverständlich können auch Gründe aus der Sphäre des Beschäftigten zu einer Überlastung führen. Die Belastung kann dauerhaft oder vorübergehend sein.
Wenn Sie jetzt lieber gucken als zu lesen, dann bitte.
Vorsicht vor den Folgen!
Es liegt auf der Hand, dass Überlastungen Konsequenzen für die Arbeitsleistung haben können. Bestimmte Arbeiten werden gar nicht mehr, schlecht bzw. fehlerbehaftet oder verspätet erbracht. Damit drohen Schäden beim Arbeitgeber, bei Kolleginnen und Kollegen und selbst verständlich auch bei Dritten, dem Kunden oder Bürger. Für den Beschäftigten selber drohen Gesundheitsgefahren und gegebenenfalls auch arbeitsrechtliche Sanktionen von der Haftung über Abmahnungen bis zur Kündigung.
Schreiben entlastet
Hier kommen Überlastungsanzeigen ins Spiel, die übrigens weder im Gesetz noch im Tarifvertrag explizit geregelt sind.
Sie sollen auf der einen Seite den Arbeitgeber auf die drohenden Schäden hinweisen und ihm so die Chance verschaffen, diese durch ein gegensteuern zu vermeiden. Zum anderen haben sie zugunsten des Beschäftigten eine Entlastungsfunktion. Diesem kann keine schuldhafte Pflichtverletzung vorgeworfen werden, wenn er sich im Rahmen des möglichen bemüht hat und im Übrigen auf eine wirklich vorliegende Überlastung hingewiesen hat. Sollte es im Zuge der Überlastung zu strafrechtlichen Vorwürfen kommen, kann der Hinweis an den Arbeitgeber auch insoweit relevant sein.
Unter verschiedenen Aspekten kann sich sogar eine Pflicht des Beschäftigten ergeben, auf drohende oder schon bestehende Überlastungen hinzuweisen. Das Arbeitsverhältnis ist ein wechselseitiges Treue – und Fürsorgeverhältnis. Der Treue und seinem Arbeitgeber zur Fürsorge verpflichtete Beschäftigte hat den Arbeitgeber darauf hinzuweisen, wenn diesem Schäden drohen. Hinsichtlich der Schäden, die dem Beschäftigten selber drohen, ist § 15 Arbeitsschutzgesetz zu beachten. Danach sind Beschäftigte verpflichtet, für die Sicherheit und Gesundheit Dritter und ihrer eigenen Person bei der Arbeit Sorge zu tragen. Entsprechende Pflichten ergeben sich für Beamte übrigens aus § 63 Bundesbeamtengesetz, § 36 Beamtenstatusgesetz sowie entsprechender Länderregelungen.
Was muss ich beachten?
Die somit verpflichtende Überlastungsanzeige muss nach § 16 Arbeitsschutzgesetz unverzüglich erfolgen. Der Arbeitgeber muss auch zeitlich die Möglichkeit haben, durch eine Reaktion die drohenden Schäden zu vermeiden.
Obwohl Überlastung Anzeigen weder gesetzlich noch tarifvertraglich geregelt sind, ergeben sich aus dem Sinn und Zweck einige Aspekte bezüglich des Inhalts und der Form:
Die Überlastungsanzeige sollte schriftlich unter Nennung des eigenen Namens und der Betroffenen Organisationseinheit erfolgen und datiert sein. Sie sollte eine Beschreibung der Situation sowie eine konkrete Benennung der Überlastungsmerkmale enthalten. Um die Überlastung für den Arbeitgeber nachvollziehbar zu machen, bietet es sich dabei an, gegebenenfalls darzulegen, welche Zeit für welche Arbeiten benötigt wird. Soweit möglich sollte der Betroffene die Ursachen der Überlastung benennen.
Achtung: Sollte die Überlastung auf persönlichen Gründen (zum Beispiel Krankheit) beruhen, sollte vorsorglich bedacht werden, ob und inwieweit der Arbeitgeber darauf mit für den Beschäftigten Nachteil haften Maßnahmen reagieren könnte.
Weiterhin sollte die Überlastungsanzeige die schon eingetretenen oder drohenden Folgen der Überlastung beschreiben. Sie endet mit der Aufforderung oder bitte an den Arbeitgeber, für Abhilfe zu sorgen und gegebenenfalls Prioritäten bei der Aufgabenerledigung vorzugeben. Oft ist auch ein Hinweis auf das bestehende Qualitätsmanagementsystem sinnvoll.
Der Arbeitgeber reagiert - hoffentlich!
Der Arbeitgeber muss auf die Überlastungsanzeige reagieren und die zugrunde liegenden Sachverhalt prüfen. Dies ergibt sich wiederum aus der Natur des Arbeitsverhältnisses als wechselseitigen Treue und Fürsorgeverhältnis gemäß
§ 242 BGB und auch aus § 5 Arbeitsschutzgesetz. Soweit er die Überlastungsanzeige für berechtigt hält, hat er für Abhilfe zu sorgen. Die Überlastungsanzeige als solche darf für den Beschäftigten keine negativen Konsequenzen haben. Das ergibt sich aus dem Maßregelerfolg des § 612 a BGB.
Kein Freibrief für Beschäftigte
Auf der anderen Seite unterliegt der Arbeitnehmer trotz der angezeigten Überlastung weiterhin dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht. Die Überlastungsanzeige mit anderen Worten kein Freibrief für Arbeitsverweigerung oder Minderleistungen. Der Arbeitnehmer ist weiterhin verpflichtet, sich im Rahmen des ihm Zumutbaren anzustrengen. Nur in extremen Ausnahmesituationen (konkret drohenden Gesundheitsgefahren) ist an die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes zu denken.
Reagiert der Arbeitgeber nicht ausreichend und entstehen Schäden, kann dem Beschäftigten zumindest keine Verletzung einer Hinweispflicht vorgeworfen werden. Bei berechtigter Überlastungsanzeige liegt gegebenenfalls auch kein sonstiger Pflichtverstoß vor, wenn der Beschäftigte sich im Rahmen des zumutbaren angestrengt hat. Unterlaufen ihm trotzdem Fehler, dürfte sich ein Schuldvorwurf in der Regel zumindest relativieren. Kommt es aufgrund der Überlastung zu einer Erkrankung, dürften daran anknüpfenden Maßnahmen, insbesondere eine krankheitsbedingte Kündigung, unverhältnismäßig sein, weil der Arbeitgeber durch Nichtabhilfe die Krankheit mitverursacht hätte.
Und was ist mit dem Personal- oder Betriebsrat?
Zuletzt noch kurz zur Rolle des Personal oder Betriebsrates. Zwar gibt es kein explizites Mitbestimmungsrecht bei Überlastungsanzeigen. Der Personal oder Betriebsrat hat aber die allgemeine Aufgabe darüber zu wachen, dass Vorschriften eingehalten werden und die Beschäftigten nach Recht und Billigkeit behandelt werden. Zudem kann er Maßnahmen zugunsten der Beschäftigten beantragen. Werden Beschwerden auch ihm gegenüber erhoben, regeln die §§ 85 BetrVG bzw. 62 Nr.3 BPersVG wie damit umzugehen ist.
Weiterhin ist der Personal-oder Betriebsrat an der Gefährdungsbeurteilung beteiligt und hat ein Mitbestimmungsrecht beim Gesundheitsschutz. Außerdem kann er andere Mitbestimmungsrechte zum Beispiel hinsichtlich der Arbeitszeit oder personelle Einzelmaßnahmen dazu nutzen, auch aus seiner Sicht bestehenden Überlastungssituationen entgegenzuwirken.
Unterschiedliche Tarifregelungen in Ost und West
Die gute Nachricht zuerst: viele Regelungen wurden mittlerweile vereinheitlicht. Das betrifft insbesondere die Entgelttabellen und die Jahressonderzahlung. Manche Unterschiede bestehen dagegen hartnäckig fort – das sind die Wichtigsten im Allgemeinen Teil der Tarifverträge:
Während die Arbeitszeiten im TVöD des Bundes und der Kommunen (bei Letzteren seit 2023) vereinheitlich wurden, sind die Arbeitszeiten der ostdeutschen Landesbeschäftigten durchgängig länger, nämlich durchschnittlich 40 Stunden pro Woche, während bei allen westdeutschen Mitgliedern der TdL geringere (wenn auch uneinheitliche) Arbeitszeiten gelten.
Die Befristungsvorschrift des § 30 TVöD/TV-L gilt nur im Tarifgebiet West. Das bietet neben einigen Nachteilen (keine Höchstdauer bei Sachgrundbefristungen, keine Mindestdauer bei sachgrundlosen Befristungen) aber auch Vorteile für Beschäftigte im Tarifgebiet Ost: ihre befristeten Arbeitsverträge unterliegen nach § 15 Abs.4 TzBfG nur dann der vorzeitigen Kündigung, wenn dies einzelvertraglich vereinbart wurde.
Die ordentliche Unkündbarkeit (nach Vollendung des 40.Lebensjahres und einer 15jährigen Beschäftigungszeit) gilt nur im Tarifgebiet West.
Übungsfall aus dem Seminar: wie hoch ist die Jahressonderzahlung?
Fall zu § 20 (Jahressonderzahlung)
Heute ging es in der TVöD/TV-L Grundschulung um den Fall eines TV-L Beschäftigten, der von einem anstrengenden vierten Beschäftigungsjahr berichtet: Er sei immer so müde und habe deshalb im kompletten Monat Februar Sonderurlaub genommen, um sich ein wenig zu erholen. Das habe aber nicht so richtig funktioniert, denn nach Wiederaufnahme der Arbeit sei er sehr bald erkrankt und dann vom 13.3.-17.5. arbeitsunfähig gewesen. Er habe dann mit seinem Arzt gesprochen und habe ab dem 1.8. seine Arbeitszeit von vorher 100% auf 50% reduziert. Trotzdem habe sein Arbeitgeber ihm ab dem 1.9. eine höherwertige Tätigkeit übertragen und er sei zu diesem Zeitpunkt von EG 8 Stufe 4 in die EG 9a höhergruppiert worden. Vielleicht hing seine Überforderung auch mit der schönen Tatsache zusammen, dass seine Frau und er ein Kind erwartet und während der Schwangerschaft ein wenig Stress gehabt hätten. Das Kind sei Mitte Oktober geboren worden und er befinde sich sein Anfang November komplett in Elternzeit. Er habe im Moment so einige Ausgaben, so dass er gerne wissen möchte, welchen Betrag er als Jahressonderzahlung zu erwarten habe.
1.2.-29.2.: Sonderurlaub
13.3.-17.5.: Arbeitsunfähigkeit
ab 1.8.: Teilzeit 50%
ab 1.9.: Höhergruppierung in EG 9a
ab 1.11.: Elternzeit
Lösung:
Er erhält 74,35 % (wegen der EG 9a am 1.9.) des durchschnitlichen Entgelts in den Monaten
Juli (100% EG 8 Stufe 4): 3419,58 €,
August (50% EG 8 Stufe 4): 1709,79 € und
September (50% EG 9a Stufe 3 plus Garantiebetrag): 1799,79 €, also von
6929,16 € / 3 = 2309,27 €. Das sind 1716,94 €.
Da er wegen des Sonderurlaubs im Monat Februar an keinem einzigen Tag Anspruch auf Entgelt oder Krankengeldzuschuß hatte, findet für diesen Monat eine Kürzung um 1/12 statt, so dass 1573,86 € verbleiben. Eine Kürzung wegen der Arbeitsunfähigkeit entfällt, da er in allen Monaten entweder Anspruch auf Entgelt oder zumindest Anspruch auf Krankengeldzuschuß hatte. Im Jahr der Geburt des Kindes unterbleibt auch eine Kürzung wegen Elternzeit.