Hier geht es um Arbeitszeit im schutz- und vergütungsreechtlichen Sinn, um Sonderformen von Arbeit, Arbeitszeitkonten, Teilzeit, Dienstreisezeiten und vieles mehr.
Arbeitszeit
Überstundenzuschläge für Teilzeitkräfte - ist das noch gerecht?
Für Teilzeitkräfte fallen zuschlagspflichtige Überstunden nach § 7 Abs.7 TVöD/TV-L erst an, wenn sie die für die Woche vorgesehene Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschreiten. Ist das keine rechtswidrige Ungleichbehandlung? Nein, sagt der für das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zuständige sechste Senat des BAG. Denn die Regelungen zur Entstehung und Abgeltung von Mehrarbeit und Überstunden würden sich grundsätzlich unterscheiden. Teilzeitbeschäftigte könnten der Ableistung von Mehrarbeit widersprechen (vgl. § 6 Abs.5 TVöD/TV-L) und zudem durch die Verbuchung solcher Mehrarbeitsstunden auf ein bestehendes Arbeitszeitkontos iSv § 10 TVöD/TV-L einen Freizeitausgleich erzwingen. Überstundenvergütungen von Vollbeschäftigten würden dagegen grundsätzlich ausgezahlt und könnten nach § 8 Abs.1, Satz 4,5 TVöD/TV-L nur dann auf das Konto gebucht werden, wenn die betrieblichen/dienstlichen Verhältnisse es zulassen.
Die Frage hat neue Brisanz gewonnen, nachdem die besondere Regelung für Teilzeitkräfte, die Schichtarbeit leisten, vom BAG wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Normenklarheit verworfen wurde (vgl. BAG v.15.10.2021, 6 AZR 253/19).
In § 7 Abs.5 MTV Autobahn gibt es für Teilzeitkräfte übrigens eine abweichende Definition der Überstunden, die auf die vereinbarte Arbeitszeit abstellt. Ein Vorbild für TVöD/TV-L?
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Rüstzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit
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Zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören nicht nur die eigentlichen Tätigkeiten, sondern auch die damit unmittelbar zusammenhängenden Zeitaufwände, die der Arbeitnehmer im Interesse des Arbeitgebers („fremdnützig“) auf sich nehmen muss (vgl. BAG Urteil vom 23.4.2024, 5 AZR 212/23).
Schreibt der Arbeitgeber also (z.B. aus hygienischen Gründen) das An- und Ablegen der Dienstkleidung im Betrieb vor oder ist es dem Beschäftigten nach einer „dirty work“ unzumutbar, ungeduscht nach Hause zu fahren, ist die dafür aufgewendete Zeit wie Arbeitszeit zu vergüten.
Viele Arbeitgeber scheuen es allerdings, die Zeiterfassung schon vor bzw. erst nach Erledigung dieser Vor- und Nachbereitungszeiten vornehmen zu lassen, weil sie Sorge haben, dass einzelne Arbeitnehmer dann unangemessen viel Zeit mit dem Umkleiden oder Reinigen verbringen würden. Die Lösung ist dann oft eine pauschale Berücksichtigung sog. „Rüstzeiten“, die in der Regel in einer Dienstvereinbarung Arbeitszeit mit dem Personalrat geregelt wird.
Ein ähnliches (wenn auch weniger zeitaufwendiges) Problem tritt auf, wenn die vorgeschriebene Dokumentation der Arbeitszeit mittels Software erfolgt, der Beschäftigte aber vorher den PC noch „hoch- und runterfahren“ muss.
By the way: Die Pflicht des Arbeitgebers, ein System einzuführen, mit dem sämtliche Arbeitszeiten erfasst werden, leitet das Bundesarbeitsgericht aus § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG her (vgl. BAG v.13.9.2022, 1 ABR 22/21).
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Länger als 10 Stunden arbeiten, darf man das?
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Das Arbeitszeitgesetz statuiert bestimmte Regeln, die den Arbeitnehmer vor einer Überbeanspruchung schützen sollen. Dazu gehören Vorgaben zur werktäglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden (§ 3 ArbZG) sowie zu Pausen (§ 4 ArbZG) und zur Ruhezeit (§ 5 ArbZG). Allerdings enthält das Gesetz Öffnungsklauseln zugunsten der Tarifvertragsparteien, die im öffentlichen Dienst besonders weitreichend sind.
Weitreichende Öffnungsklausel für den öffentlichen Dienst
Insbesondere ist es nach § 7 Abs.2 Nr.4 ArbZG (soweit der Gesundheitsschutz durch einen entsprechenden Zeitausgleich gewährleistet ist) zulässig, durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages von den o.g. Vorgaben abzuweichen, um der Eigenart der Tätigkeit im öffentlichen Dienst Rechnung zu tragen.
Die Tarifvertragsparteien verlagern die Macht auf die Ebene der Dienststelle bzw. des Betriebs
Die Tarifvertragsparteien regeln allerdings selber keine Ausnahmen, sondern schieben die Macht auf die Ebene der Dienststelle bzw. des Betriebs. Nach § 6 Abs.4 TVöD /TV-L /TV-H /MTV kann aus dringenden betrieblichen/dienstlichen Gründen auf der Grundlage einer Betriebs-/Dienstvereinbarung im Rahmen des § 7 Absatz 1, 2 und des § 12 Arbeitszeitgesetz von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes abgewichen werden.
Die Gestaltungsmacht der Betriebsparteien hat Grenzen
Eine wichtige Einschränkung enthält die PE zu § 6 TVöD bzw. die PE zu Abschnitt II TV-L/TV-H. Gleitzeitregelungen dürfen keine Regelungen nach § 6 Abs.4 enthalten. Dort, wo der Beschäftigte also selber den Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme und des Arbeitsendes bestimmt, bleibt es bei den Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Die in Gleitzeit arbeitenden Beschäftigten werden also quasi vor sich selber geschützt. Soll in Dienst- oder Betriebsvereinbarungen von den Vorgaben abgewichen werden, ist das nur im Rahmen fester Arbeitszeiten möglich.
Krank im Frei – gibt’s die Stunden zurück?
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Bei einer Erkrankung während des Urlaubs werden die nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (vgl. § 9 BUrlG). Bei einer Erkrankung am arbeitsfreien Wochenende oder nach (dem im Gleitzeitmodell selbstbestimmten) Feierabend hat der Beschäftigte dagegen Pech gehabt und erhält keine Zeitgutschrift.
Wann greift § 10 Abs.4 TVöD/TV-L ein?
Unter der Überschrift „Arbeitszeitkonto“ regelt die Vorschrift des § 10 Abs.4 TVöD/TV-L, dass im Fall einer unverzüglich angezeigten und durch ärztliches Attest nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit während eines Zeitausgleichs vom Arbeitszeitkonto (Zeiten nach Absatz 3 Satz 1 und 2) eine Minderung des Zeitguthabens nicht eintritt.
Allerdings wird überwiegend vertreten, dass die Regelung nicht auf Erkrankungen während eines Zeitausgleichs vom Gleitzeitkonto anwendbar sei. Sie gelte nur für Arbeitszeitkonten, die der Umwandlung der in Abs.3 genannten Entgeltbestandteile (Überstunden und Zeitzuschläge, ggf. Rufbereitschafts- und Bereitschaftsdienstentgelte) dienten. Diese sollten den Beschäftigten im Krankheitsfall verbleiben (vgl. auch das BMI Rundschreiben vom 23.7.2018, D2-30105/9#2; D5-31001/1#7). Für diese Interpretation spricht wohl auch die Niederschriftserklärung zu § 10 Abs.4 TVöD/TV-L, in der die Tarifvertragsparteien erklären, dass durch die Regelung aus dem Urlaubsrecht entlehnte Ansprüche nicht begründet werden.
Geht’s auch anders?
Für die Beschäftigten wäre es also günstig, den eigentlichen Antrag auf Freizeitausgleich erst kurzfristig stellen zu müssen. Dann könnten sie zunächst abwarten, ob sie gesundheitlich in der Lage sind, den Freizeitausgleich auch wirklich zu genießen. Die Modalitäten zu den Anträgen auf Freitzeitausgleich werden bekanntlich in Dienst- oder Betriebsvereinbarungen geregelt. Ein Verzicht auf den bereits genehmigten Zeitausgleich, um dann ohne Minderung des Zeitguthabens Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu beanspruchen, dürfte dagegen rechtlich (noch) problematischer sein.
Wenn was ist, bin ich erreichbar – die Rufbereitschaft
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Außerhalb der Arbeitszeit ist man weder verpflichtet zu arbeiten noch erreichbar zu sein. Falls der Arbeitgeber seine Beschäftigten im Bedarfsfall heranziehen können möchte, muss er Rufbereitschaft anordnen. Die Beschäftigten müssen sich dann an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufhalten, um nach relativ kurzer Zeit die Arbeit aufnehmen zu können.
Pauschalen für’s Bereithalten
Die damit verbundene Einschränkung der persönlichen Freiheit wird durch eine Rufbereitschaftspauschale abgegolten. Für Werktage gibt es zwei Stundensätze, für Samstage, Sonntage und Feiertage vier Stundensätze (alleine für’s Bereithalten). Bei angebrochenen Tagen (Rufbereitschaft von Freitag, 18 Uhr bis Montag, 7:00 Uhr) zählt der erste Tag voll, der letzte dagegen gar nicht; im Beispielsfall gibt es also für Freitag 2 Stundensätze und für Samstag und Sonntag jeweils 4 Stundensätze). Besonderheiten gelten für kurz Rufbereitschaften von weniger als 12 Stunden (hier gibt’s 12,5% pro Stunde der Rufbereitschaft).
Zusätzliche Vergütung bei Inanspruchnahme
Kommt es tatsächlich zur Inanspruchnahme, wird diese (einschließlich erforderlicher Wegezeiten) zusätzlich vergütet, und zwar wie Überstunden (die eigentliche Stunde wird mit der persönlichen EG und Stufe, höchstens aber mit Stufe 4 vergütet; die Überstundenzuschläge werden mit 30% (EG 1-9b) bzw. 15% (EG 10-15) der Stufe 3 der jeweiligen EG vergütet.
Rundung der Einsatzzeiten und mehrere Inanspruchnahmen
Die im Rahmen der Inanspruchnahmen aufgewendete Zeit wird aufgerundet. Kommt es in einer Rufbereitschaft zu mehreren Einsätzen, hängt die konkrete Berechnung von der Intensität der Belastung ab. Kann der Beschäftigte vom Aufenthaltsort (in der Regel von zu Hause aus) arbeiten, wird zunächst addiert und dann gerundet. Muss er außerhalb des Aufenthaltsorts (z.B. im Betrieb oder der Dienststelle) ran, werden die Einzelzeiten zunächst gerundet und dann addiert (vgl. zu den Einzelheiten der leicht abweichenden Berechnungsmodalitäten §§ 8 Abs.3 TVöD, 8 Abs.5 TV-L und 8 Abs.3 MTV).
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Bereitschaftsdienst und Bereitschaftszeit?
Bereitschaftsdienst findet außerhalb der Arbeitszeit statt, üblicherweise vor oder nach der Vollarbeit. Dabei hält sich der Beschäftigte an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle auf, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen zu können (Beispiel: der Arzt, der nach der Schicht im Krankenhaus bleibt). Nach § 7.1 Abs. 1 TVöD-K/TVöD-B darf der Arbeitgeber Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt.
Bereitschaftszeit im Sinne des § 9 TVöD/TV-L findet während der Arbeitszeit statt. Es handelt sich um Zeiten, in denen Beschäftigte sich am Arbeitsplatz oder einer anderen vom Arbeitgeber bestimmten Stelle zur Verfügung halten müssen, um im Bedarfsfall die Arbeit selbständig, ggf. auch auf Anordnung, aufzunehmen und in denen die Zeiten ohne Arbeitsleistung überwiegen. Für Beschäftigte, in deren Tätigkeit regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Bereitschaftszeiten fallen, gelten dann einige Besonderheiten:
- Bereitschaftszeiten werden (nur) zur Hälfte als Arbeitszeit gewertet (faktorisiert) und bezahlt
- Beispiel: Ein Schulhausmeister arbeitet täglich (Mo-Fr) von 06:30 Uhr bis 16:21 Uhr. Abzüglich Pausen ergibt sich eine Arbeitszeit von 46,75 Stunden, die sich aus 31,25 Vollarbeit und 15,5 Stunden Bereitschaftszeit zusammensetzen. Die Bereitschaftszeiten werden zur Hälfte (also mit 7,75 h) als vergütungspflichtige Arbeitszeit gewertet, so dass sich eine regelmäßige Arbeitszeit von 39 h pro Woche ergibt.
- Die Bereitschaftszeiten werden innerhalb der Arbeitszeit, also zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit, nicht gesondert ausgewiesen.
- Die Summe der faktorisierten Bereitschaftszeiten und die Vollarbeitszeit darf die Arbeitszeit nach § 6 Abs.1 nicht überschreiten.
- Die Summe der faktorisierten Bereitschaftszeiten und die Vollarbeitszeit darf durchschnittlich 48 h pro Woche nicht überschreiten.
Wenn ein Arbeitgeber vom Arbeitnehmer geleistete Arbeitszeiten unter Berufung auf § 9 TVöD/TV-L nur zur Hälfte vergüten möchte, hat er darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass diese Sonderregelung anwendbar ist. Zudem ist (jedenfalls bei den Ländern und im kommunalen Bereich) in der Regel eine einvernehmliche Dienstvereinbarung erforderlich.
Für die Bereitschaftszeit bestimmter Beschäftigtengruppen gelten abweichende Regelungen (vgl. Anhang zu § 9 TVöD bzw. § 9 Abs.3 TV-L), die dann auch zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast führen können.