ONBOARDING – die unterschätzte Managementaufgabe

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Geht ein Seemann an Bord ist er (oder sie) Teil einer Mannschaft, die Hand in Hand und mit Blick aufs Ganze für den Erfolg arbeitet. Auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst brauchen eine kluges „an Bord kommen“ für ein erfolgreiches Schaffen.

Die Entscheidung ist gefallen, ein Arbeitsvertrag unterschrieben. Allmählich stellt sich die Gewissheit ein, der Auswahlprozess ist erfolgreich gemeistert. Vielleicht macht sich auch Freude breit, endlich den Absprung aus einem alten Arbeitsverhältnis gefunden oder einen Aufstieg geschafft zu haben. Etwas Neues kann beginnen. Oder um es mit Hermann Hesse zu sagen: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, und mit einem Arbeitsplatzwechsel kann auch ein neuer Lebensabschnitt beginnen.

Noch dauert es vielleicht einige Wochen oder Monate bis es losgeht. Da sind Projekte abzuschließen, Aufgaben zu übergeben und langsam sickert ins Bewusstsein, dass es heißt sich von Kollegen und Kolleginnen zu verabschieden, gewohnte Abläufe aufzugeben und die vertraute Umgebung zu verlassen. Unter die anfängliche Freude und Euphorie mischen sich dann vielleicht auch Skepsis, Verunsicherung oder Zweifel: war es wirklich die richtige Entscheidung? Wie werde ich eingearbeitet? Kann ich die an mich gestellten Erwartungen erfüllen? Werde ich ein nettes Team vorfinden? Was kommt auf mich zu?
 

Sorgfältige Vorbereitung

Während es bei dem oder der Auserwählten zu einer emotionalen Gemengelage kommt, in der freudige Erwartung und verunsichernde Zweifel nah beieinander liegen, sollten auf Arbeitgeberseite die Vorbereitungen anlaufen, denn der Einarbeitungsprozess beginnt bereits in dieser Phase, die sorgfältig geplant und vorbereitet werden sollte.

Die Art und Weise der Einführung und Einarbeitung ist für neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen prägend und stellt häufig die Weichen für den weiteren Weg. Wie „der bzw. die Neue“ von Vorgesetzten und Kollegen aufgenommen wird spielt ebenso eine Rolle wie auch der Empfang am ersten Tag. Gibt es eine Willkommenskultur im Unternehmen? Ist der Arbeitsplatz vorbereitet, sind Zugänge zu Räumen, Technik, Software etc. eingerichtet? Oder wird hektisch ein Eckchen am Schreibtisch freigeräumt und ein Bürostuhl organisiert, weil „vergessen“ wurde, dass jemand Neues kommt? Oder überlässt man den Neuling seinem Schicksal und verweist auf den Einkauf, der das entsprechende Equipment beschaffen kann, ohne zu sagen, welche Formulare zuvor ausgefüllt werden müssen?
 

Kostenintensive Anfangsfehler

Auch wenn das Thema Onboarding mehr und mehr an Bedeutung gewinnt, gibt es immer noch 36% der Kündigungen vor dem ersten Arbeitstag! Laut der aktuellen Haufe Umfrage[1] führen zu 56% falsche Erwartungen zur Frühfluktuation. Eine „Funkstille“ in der Phase zwischen Vertragsunterzeichnung und Arbeitsantritt zahlt ebenfalls auf das Minuskonto ein. Wenn Bewerber in der Zwischenzeit ein besseres Angebot bekommen, können Arbeitgeber wenig machen. Doch an der Stellschraube der „Pre-Boarding-Phase“ kann gedreht werden. Denn das Onboarding beginnt nicht erst mit dem ersten Arbeitstag, sondern viel früher. Und das hat auch Vorteile. In der Vorphase Kontakt zu halten ist nicht nur ein Zeichen des Willkommenheißens, sondern bietet auch die Gelegenheit, erste allgemeine Informationen zum Unternehmen zu vermitteln. Mit Neugier und Vorfreude sind Neulinge aufnahmebereit und interessiert, fühlen sich abgeholt und einbezogen. Auf diese Weise kann auch die Informationsflut, die sonst in den ersten Tagen auf neue Mitarbeiter einströmt, reduziert werden.
 

Onboarding – mehr als Einarbeitung

Mancher mag sich fragen, warum es nun Onboarding heißt: Ist es nur ein schick wirkender Ausdruck, weil Anglizismen moderner und dynamischer klingen? Und es gibt auch Stimmen, die einwenden, dass es bisher doch auch gelungen sei, Mitarbeiter einzuführen. Die Praxis zeigt jedoch, dass häufig bei der Einarbeitung rein fachliche Komponenten im Blickfeld sind; allenfalls werden noch die organisatorischen Dinge beachtet, die ebenfalls zu bedenken sind (und oftmals nicht zur Zufriedenheit aller umgesetzt werden).

Laut der Haufe Umfrage zum Onboarding (a.a.O.) legen 93% der von ihnen befragten Unternehmen und Organisationen tatsächlich den Fokus immer noch auf die fachliche Einarbeitung und nur 78% haben auch Aspekte sozialer und kultureller Integration im Blick. Beim Onboarding geht es also um ein umfassendes Konzept, das fachliche, organisatorische, soziale und psychologische Aspekte berücksichtigt, und darüber hinaus um Maßnahmen, die sich auf innere Strukturen beziehen, denn jeder Wechsel bringt Veränderung.
 

Onboarding als Querschnittaufgabe

Deshalb ist die Aufgabe des Onboardings nicht allein in Personalabteilungen zu verorten, sondern sollte als Querschnittaufgabe verstanden werden und ist letztlich eine Frage der Corporate Identity. Neue Menschen mit an Bord zu nehmen und sie in eine Gemeinschaft zu integrieren ist keine Angelegenheit von einzelnen, sondern von der Gesamtheit einer Organisation, in der viele einzelne einen Beitrag leisten. Ob sich jemand aufgenommen und wohl fühlt hängt oft an kleinen Dingen, die aber eine große Wirkung haben können. Das beginnt schon damit, jemanden, der orientierungslos vor einem großen Gebäude steht, freundlich zu fragen, ob man helfen könne. Und jeder Neuling wird dankbar sein über wertvolle Tipps zu ungeschriebenen Regeln, die hier gelten.

Ein umfassendes, systematisches Einarbeitungskonzept zu erstellen, macht Arbeit – keine Frage. Doch wer das Onboarding nicht als lästige Pflicht, sondern als eine Aufgabe auffasst, die alle Mitarbeitende von der Führungskraft bis zum Hausmeister betrifft, wird mit dieser unternehmensstrategischen Maßnahme die Arbeitgebermarke stärken können.
 

Lohnende Investition

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels zeigt sich, dass Onboarding ein wirkungsvoller Hebel für einen Integrationsprozess darstellt. Erstens wirkt sich das Angebot eines Onboardings in Stellenausschreibungen auch auf den Recruitingerfolg aus und zweitens kann die Frühfluktuation vor dem ersten Arbeitstag und während der Probezeit reduziert werden. Darüber hinaus führt strukturiertes Onboarding zu einer kürzeren Einarbeitungszeit und damit zu schnellerer Leistungsfähigkeit und Produktivität neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 

Fazit

Damit dem zauberhaften Anfang nicht eine ernüchternde Enttäuschung folgt, sind Arbeitgeber heutigen Tags gut beraten, dem Thema Onboarding Priorität einzuräumen, wenn sie neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur einstellen, sondern auch behalten wollen. Auch eine Fortbildung zum Thema kann inspirierende Impulse für ein erfolgreiches Konzept bieten.

      Selma Reese
Business-Coach und Dozentin für Führung,
Persönlichkeit und Kommunikation

 

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[1] „Zu wenig Strukturen beim Onboarding“, Haufe HR Services, Januar 2024